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Liebe Leserinnen und Leser,

Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht. Folglich kann auch ein nach Jahren aufgeklärtes Tötungsdelikt zur Verurteilung des Täters führen. Die Polizei stuft diese Verfahren als „Cold Case„ ein.

Wann wird ein Fall zu einem Cold Case? Mit dieser Frage beschäftigten sich die Polizeien des Bundes und der Länder und stellten eine Definition auf: „Ein Cold Case ist ein Kapitalverbrechen oder Vermisstenfall, der seit mindestens drei Jahren ungelöst ist und Potenzial hat, durch neue Ermittlungsergebnisse oder fortgeschrittene Untersuchungsmethoden gelöst zu werden.„

Das US National Institute of Justice (NIJ) hatte 2015 eine ähnlich lautende Definition formuliert. Bereits seit den späten 1980er-Jahren werden in den Vereinigten Staaten ungelöste Fälle mit Hilfe neuer Technologien, wie der DNA-Analyse oder dem automatisierten Vergleich von Fingerabdrücken versucht aufzuklären. Zu dieser Zeit entstanden auch die ersten Cold Case Units in den USA. In Europa haben sich erst ab 2000 die ersten Cold-Case-Einheiten etabliert. Je nach Staatsorganisation und nationaler Behördenstruktur haben sich Unterschiede in der Aufbauorganisation gezeigt. In Deutschland gibt es beispielsweise in sieben von sechzehn Bundesländer Cold-Case-Einheiten, die ungeklärte Fälle analysieren und die Erkenntnisse etwa an die Mordkommissionen weitergeben beziehungsweise auch zum Teil selbst operativ tätig werden. In Norwegen unterstützt die Cold-Case-Einheit die lokale Polizei und in Schweden wird erst in einer administrativen Phase geprüft, ob der Fall operativ von den Cold-Case-Einheiten bearbeitet wird.

Das Cold-Case-Verfahren ist ein strukturierter Ablauf, von der Auswahl eines Falles über die Analyse mit der Bewertung und einer Entscheidung über die Fortführung des Verfahrens, der Festlegung der Methoden und der Umsetzung bis zum Abschluss der Ermittlungen. „Diese Prozesse und Abläufe sind jedoch flexibel, denn kein Fall gleicht dem anderen„, sagt die Polizei.

Ungelöst, aber nicht vergessen.

Das Ziel eines Cold-Case-Verfahrens ist die Aufklärung des Falles, wenngleich später nicht immer eine Verurteilung erfolgt. Gründe können verblasste Zeugenaussagen oder eine nicht vollständig geschlossene Indizienkette sein. Wenn die Ermittlungsansätze jedoch abgearbeitet, alle Untersuchungen ausgewertet und die Analysen abgeschlossen sind, aber der Fall immer noch ungeklärt bleibt, sollten auch die Ermittlungen analog der strafprozessualen Vorgehensweise „abgebrochen„ werden. Ein Abschlussbericht soll alle Ergebnisse und Erkenntnisse festhalten. Die Ermittlungsgruppe wird aufgelöst und die weitere Fallbearbeitung wieder von der örtlich zuständigen Polizeidienststelle übernommen. „Cold Cases dürfen nicht vergessen werden.

Im einem „Polizeiruf 110“ aus Rostock führen die Ermittlungen im Fall eines ermordeten Schönheitschirurgen zu einem mysteriösen Cold Case. Nachdem am Tatort intakte DNA eines vor 15 Jahren verschwundenen Teenagers gefunden wurde, wird der ungeklärte Kriminalfall wieder aus dem Aktenschrank geholt - und von den Kommissarinnen König (Anneke Kim Sarnau, 51) und Böwe (Lina Beckmann, 42) schließlich endgültig aufgeklärt. Auch in der Realität hat es die deutsche Kriminalpolizei täglich mit solchen Cold Cases zu tun.

In Deutschland kümmern sich um solche ungelösten Fälle immer häufiger spezialisierte „Cold Case Units“, die sich mittlerweile in fast jedem Bundesland finden. Eine Anfrage des Magazins „Spiegel“ bei allen 16 Innenministerien ergab, dass derzeit mindestens 3300 ungeklärte Altfälle in den Aktenschränken dieser Spezialeinheiten auf ihre endgültige Aufklärung warten.

Mit der Bearbeitung dieser Fälle sind seit einigen Jahren nicht nur aktive Kriminalbeamte betraut, sondern auch ehemalige Ermittler, die aus dem Ruhestand heraus den Cold-Case-Einheiten mit ihrem Erfahrungsschatz aktiv unter die Arme greifen. Wie das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen im Jahr 2021 stolz verkündete, habe man zur Unterstützung einer frisch formierten „Besonderen Aufbauorganisation ‘Cold Cases’“ insgesamt 28 ehemalige Ermittlerinnen und Ermittler gewinnen können.

Mühselige Ermittlungsarbeit mit
geringer Erfolgsquote


Die Arbeit dieser Spezialermittler ist denkbar mühsam und die Erfolgsquoten liegen nicht besonders hoch. So gelang es etwa der 2007 gegründeten Berliner Cold-Case-Einheit eigenen Angaben zufolge bis heute nur in zehn Altfällen, Tatverdächtige lang zurückliegender Schwerverbrechen zu ermitteln. Zur Frustration der Kriminalbeamten kam es jedoch nur in drei dieser Fälle tatsächlich zu einer Verurteilung. Bei den übrigen Fällen reichten die Beweise nicht für eine Anklage oder die ermittelten Täter waren bereits verstorben.

Diese extrem geringe Zahl aufgeklärter Cold Cases sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Polizei im Normalbetrieb mit wesentlich höheren Erfolgszahlen aufwarten kann. Der Statistik-Plattform „Statista“ zufolge liegt die Aufklärungsquote bei Mord in Deutschland im Durchschnitt bei knapp 95 Prozent.

Warum rollen Ermittler Cold Cases wieder auf? Ein Grund ist, dass sich die forensische DNA-Analyse rasant entwickelt hat und neue Erkenntnisse möglich macht. Im Mordfall einer bayerischen Studentin kam es so nach 45 Jahren zu einer Festnahme. Warum durch die Weiterentwicklung der DNA-Analyse Tötungsdelikte auch nach Jahren noch geklärt werden können, schildert Klaus Hanisch in seinem Beitrag auf Seite 6.

„Lasst uns die Sicherheit, in der sich Bullen wiegen durchbrechen. Lasst sie die Angst spüren, die sie verbreiten. All Cops Are Targets!„. Diese Aussage findet sich auf einer Internetplattform. Hier wird zur Gewalt gegen die Polizei aufgerufen. Prof. Dr. Goertz stellt auf Seite 14 das aktuelle Bundeslagebild „Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte„ vor.

Die Gestaltung der Kriminaltechnik der Zukunft hängt entscheidend vom Faktor Mensch ab. Für die Qualifizierung von Kriminalisten gibt es ein neues Übungszentrum in Aschersleben in Sachsen-Anhalt. «Es geht darum, Beamte im Dienst zu haben, die 24/7 Spuren professionell sichern und bearbeiten können». «Da braucht es immer wieder Nachschulungen, denn die Kriminaltechnik entwickelt sich weiter und weiter.» Sabrina Gorges stellt auf Seite 12 dieses neue Übungszentrum vor.

Wer zu schnell fährt, dem drohen mitunter Punkte in Flensburg. Praktisch, wenn dann Bekannte oder gar Dienstleister die Punkte auf sich nehmen. Wegen einer gesetzlichen Grauzone kann das funktionieren - bisher. Für ein paar Hundert Euro Punkte in Flensburg einfach auf eine andere Person abschieben - ist das in Ordnung? Nein, meinen viele Experten. Doch wie das Vorgehen verhindert werden kann, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Diskussion über zukünftige Möglichkeiten zur Verhinderung dieses Punktehandels beim Verkehrsgerichtstag in Goslar fasst Maurice Arndt auf Seite 38 zusammen.

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